03.10.20

30 Jahre Deutschland - verspielt?

 

Auf dem Foto sehen Sie einen Ort meiner Kindheit, einen Ort der Freude, der, als Kind war es mir noch nicht bewußt, damals ein Ort des Verfalls war. Wasser und Schlösser hatten hier Kriege überdauert... das Wasser blieb, die Schlösser litten in Zeiten der Diktaturen. In der ersten durch den Krieg. In der zweiten durch Desinteresse und Abwehr.

Eigentlich waren die Schlösser ein Widerspruch in sich: das Volk liebte ihre Schönheit, den Charme von Wohlgestalt, Großzügigkeit, Verspieltheit, die Zeichen von Unbeschwertheit ehemals froher, kulturell anspruchsvoller Zeiten. Die Partei wollte sich mit all diesen schlösser-eigenen Vorzügen im In- wie Ausland ja auch schmücken, andererseits waren diese Bauwerke, leider, Zeichen eines vergangenen wie noch lebenden Klassenfeindes, den es zu bekämpfen, zu negieren und auszulöschen galt. Man - Partei, Staat und Staatsvolk - war eben Instrument des unabwendbaren historischen Fortschritts und dieser Fortschritt erforderte, die schrecklichen Seiten der Schlösserzeit auszustellen, nicht deren Herrlichkeit.

Eine der ersten Dinge, die meine Eltern in ihrem wiedergewonnenen westlichen Deutschland taten, war, dem Verein der Freunde preußischer Gärten und Schlösser beizutreten, nachdem sie den Verfall des oben zu besichtigenden Baukörpers nochmals intensiv wahrgenommen hatten. Der Aufbau dieses Kleinods war ihnen seither ein besonderes Anliegen, gut für zusätzliche Spenden - und Zeichen der neuen Zeit: das Alte sollte wieder gesehen, genossen, bewundert werden - um sich selber froh und frei und erhoben zu fühlen! Um sich verbunden zu fühlen mit den Altvorderen und dem, was man ewige Werte nennen könnte... - schließlich- wozu hatte man zwei Diktaturen bekämpft, überlebt und überwunden? Man hatte es ja fast für immer verloren - hier und jetzt galt es nun, im gemeinsamen Neugewinn jenem vernichtenden Kampf abzuschwören, dem Kampf gegen Andere (im Namen eines moralisch vorgeblich Guten), endlich und für immer.

Meine Eltern können nicht mehr sehen, daß Wasser und Gebäude im Herbstlicht glänzen wie ehedem, aber ihr Traum verdunkelt, gestört, ja verdreht wurde. Durch jene, die erneut all das, was war, umdeuten, abschütteln, denunzieren, verbannen wollen, die von alten Werten der Wertschätzung nichts wissen wollen und sich aufgemacht haben, ihre Gegner auszuschalten. Und dies können.  

Meine Eltern müssen dieses nicht heraufziehen sehen.

Wenn ich das Wasser betrachte, das geblieben ist und die Schönheit, die noch strahlt, dann glaube ich, daß eines Tages die alten Werte wieder leben werden. Nicht jetzt und vielleicht werde ich sie nicht wiedersehen. Aber sie sind stärker. Sie werden zurückkommen.

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