29.07.21

Die Buchhändler und wir (1)


Bücherbutze Nienburg

Gewiß, wir haben keine Ahnung. Der Buchmarkt ist alt und groß und wir können nur von einem winzigen Ausschnitt berichten, der uns als kleiner unabhängiger Verlag begegnet ist.

Vorab: Der Alltag besteht aus einer Fülle freundlicher Geschäftsvorgänge -- Anfragen und Bestellungen von Buchhandlungen aus dem gesamten deutschen Sprachraum.

Darüberhinaus ist uns begegnet - was unbefangene Leser manchmal zu Fragen veranlaßt -, daß Bücher kleiner Verlage von größeren Buchhandlungen nur zögernd ins Sortiment genommen werden. Man weiß ja nicht, was kommt! Wer das ist! Ob damit ein Geschäft zu machen sein könnte... Verständlich.  Gewiß, wir stoßen durchaus auf die Bereitschaft, Bücher in Kommission zu nehmen. Dann sind wir glücklich! Denn nun kann sich der Buchhändler für die Bücher verwenden und die Bücher werden tatsächlich verkauft. 

Der Hintergrund: Kleine Verlage haben meist keinen eigenen Vertrieb, der sich wirklich so nennen kann, sind keinem System angeschlossen, beschäftigen keine Vertreter. 

Die Auslagen in den größeren Buchhandlungen, nicht verwunderlich, scheinen häufig dem Markt geschuldet. 

Darum ist ein kleiner Verlags auf die Zusammenarbeit mit den kleinen, lokalen Buchhandlungen angewiesen. Diese Stübchen, an welche diejenigen passionierten Leser herantreten, die sich nicht dem bequemen amazon-Weg beugen wollen. Oder die erhoffen, daß der Buchhändler um die Ecke ein neugieriger Selbstleser und ihnen daher verläßlicher Leseratgeber sein wird. Und seine Buchauswahl: fein und erlesen.

Auch der kleine Buchladen präsentiert aber, um seine eigene Existenz zu sichern, zuerst Bücher großer Verlage oder zumindest die von den Leselisten bekannter Zeitschriften (was meist dasselbe ist).  Besondere Lese-Leckerbissen abseitiger Pfade oder gar unbekannter oder schlicht nur lokaler Verlage wird man hier, aus nachvollziehbaren Gründen, also nicht immer finden. 

Doch es gibt die oben erwähnten, goldenen Ausnahmen!

Es gibt Buchhändler, die ihre Leseleidenschaft behalten und sich ihre Offenheit bewahrt haben. Die bereit sind, das zusätzliche unternehmerische Risiko einzugehen - das tatsächlich eines ist! - und kostbare, rare Fläche für Unbekanntes freizumachen. Um Unbekanntes bekannt zu machen! Darin, in dieser Bereitschaft, treffen sie sich mit dem Ansinnen vieler kleiner Verlage. Hier gibt es die große Chance: Buchhändler werben aktiv für das Ungewöhnliche! Was oft das ungewöhnlich Gute ist! In diesem Fall haben wir ihn: die Realisierung eines alten Traumes, den alle einmal geträumt haben: Leser, Buchhändler und Verlage. Dann lohnt sich das Engagement wieder! Das Planen, Schreiben, Herstellen - das Beraten und Verkaufen - das Suchen, Erkunden und Lesen des bisher Unbekannten!

Und so soll hier ein Hoch ausgebracht werden - ein Hoch auf alle wunderbaren Buchhändler, die uns begegnen! Sie setzen auf uns, den kleinen Verlag. Sie öffnen uns ihre Türen, Tische und Schaufenster. Wir werden sie nicht enttäuschen! Wir bringen interessante Produkte.

Solche Produkte, die einen umfassend Belesenen bei der Lektüre des jüngsten rainStein-Buches gestern dazu brachte, anzurufen, nur um wie ein Gourmetkritiker während des Schmauses ins Telefon zu seufzen: "Gut! Sehr gut! Hätte ich nicht gedacht... so gut... ich bin auf Seite siebzig. Entschuldigung! Ich lege auf! - muß weiterlesen!!"

Leserei in Hoya

28.07.21

Es hat kein Ende!

 

Foto: Gundi Abramski

Eine Bushaltestelle vor dem Schloß Glienicke, umgeben vom Grün des Schloßparks, nah bei der berühmten Havel-Agentenbrücke mit dem malerischen Blick auf Schloß Babelsberg und auf die Heilandskirche von Sacrow, der Verbindung zwischen Berlin und Potsdam. 

Wenige Tage, nachdem in Berlin beschlossen worden war, Menschen öffentlich nur noch bargeldlos zu befördern - und damit bewußt und willentlich arme, alte oder leicht behinderte Menschen, die diese moderne Technik nicht besitzen (oder nicht besitzen wollen) oder die diese einfach nicht beherrschen, faktisch vom Transport auszuschließen. 

Hier, an dieser Bushaltestelle, ist ein Ort, von dem aus viele befördert werden wollen. Und jetzt, möglicherweise, nicht mehr in den Bus hineingelassen werden.

Ein echtes Problem. Aber was wird daraus? An diesem öffentlichen Ort? Auf der Werbetafel steht es. Und Gundi Abramski entdeckte es gestern.

Was machen wir damit? Wir haben gehört, Menschen, die solche "Aufschriften" eigenhändig beseitigen, werden von Berliner Gerichten verurteilt. Also lassen wir den Spruch stehen. Sollen ihn sich andere auch ansehen!

Aber was bedeutet der Spruch (- abgesehen vom Ärger, ja der Wut über die Verantwortlichen der Öffentlichen Verkehrsmittel des Landes Berlin)?

Ich vermute: Der Ort industrieller Vernichtung von Juden ist heute für manche Synonym für etwas furchtbar Schreckliches, das ihnen selbst droht oder geschieht. Er soll für sie, in ihren Augen, das an der Grenze Liegende oder eben das Über die Grenze Gehende, Nicht zu Ertragende bezeichnen. 

Auschwitz war das Jenseits der Grenze Liegende. Doch es war unsagbar mehr: es war das Tödliche. Das ist einer der vielen, tiefen Unterschiede: Nichts, gar nichts in unserer Erfahrung hat auch nur entfernt Ähnlichkeit mit dem, was an jenem Ort vorsätzlich und millionenfach und endgültig geschah. 

Was ist hier, im Idyll von Berlin-Wannsee, passiert? Was ist gemeint? Heute und jetzt? Fühlt man sich bargeldlos ins Aus (der Nichtmobilität und des Ausgestoßenseins) geschickt? Oder will man, deshalb, jemanden dorthin schicken? Wen? Diejenigen, die das bargeldlose Verdikt über Berlin verhängt haben? Wünscht man ihnen den Tod - und eine bargeldlose Reise dorthin?

Nachdem ich das Foto am Abend erhalten hatte, konnte ich kaum schlafen. Wannsee ist der Ort der "Wannseekonferenz"! Hier wurde einst, ganz amtlich, der industrielle Mord an Juden beschlossen.

Wie reden wir in dieser Gesellschaft miteinander? Was denken wir übereinander? Was (ver)wünschen wir einander? Und wie verdreht verzweifelt wird die eigene Lage empfunden?

Wenn dieses möglich ist, die Aufschrift im schönsten Idyll, ist vieles möglich. Zu viel.

Meine Antwort: Hören wir auf, einander "endgültig" abzuurteilen, aufzugeben und auszugrenzen, "total" zu verdammen und auszuschließen. Stellen wir stattdessen die Tabus des Miteinanderredens ins Abseits und schauen wir uns als Menschen an. Nur dann kann der "Schaden Deutschlands" geheilt werden.

Sonst geht es weiter, bis zur nächsten Hölle.

Und da wir dabei sind, nehmen Sie doch, als Anregung, auch den neuesten rainStein-Roman: "Hinter dem Schweigen" von Hanna Ringena in die Hand. Hier liegen Antworten bereit.


PS: Das titelgebende Bild des Blogs "Grenzgarten" wurde vom Schloß Babelsberg zu eben dieser oben erwähnten Glienicker-Brücke hin gemacht.

06.07.21

Israel und Deutschland. Eine ungewöhnliche Sicht.



Der kleine, exklusive Berliner Verlag „rainStein“ stellt derzeit den neuen Roman der norddeutsch/französischen Autorin Hanna Ringena vor: ->Hinter dem Schweigen.

Es geht um ein „heißes Eisen“, Israel und Deutschland.

->Hanna Ringena schildert die außergewöhnliche Liebe zwischen dem israelischen Künstler David Salomon und der eigensinnigen Deutschen Johanna Cornelius. David ist verheiratet, seine Frau Tirza und ihre Handlungen scheinen undurchschaubar. Erst im Laufe der Ereignisse wird klar, warum. Johanna fühlt sich von einem unerklärlichen Sog erfasst, der sie nach Frankreich auswandern lässt und schließlich nach Israel führt.

Der Autorin gelingt es, die deutsche Vergangenheit und Teile der israelischen Gegenwart, den Grundkonflikt und Möglichkeiten der Lösung auf ungewohnte Weise darzustellen. Erzählungen, Briefe und Tagebuchaufzeichnungen ziehen jeden, der den Roman liest, in den Bann. Hanna Ringena will, um es mit den Worten von Amos Oz auszudrücken: „… nicht entsetzen, sondern bezaubern".

rainStein schreibt u.a.:

Der offizielle Erscheinungstermin unseres ersten rainStein-Romans "Hinter dem Schweigen" (->Hanna Ringena) lag nur Stunden vor dem Moment, als ->Verena von Hammerstein starb. Verena von Hammerstein, geb. 1922 in Zürich, war Zeitzeugin dessen, was das 20. Jahrhundert an Furchtbarem, Unverständlichem mit sich brachte. Sie war Helferin und Freundin derer, die verfolgt wurden. Sie war Zeugin des langen, zerstörerischen Leidens, das 1945 nicht aufhörte, sondern sich weitertrug, über die Generationen. Auf allen Seiten.

Nicht nur Verena von Hammerstein, die das rainStein-Projekt von Beginn an mitdachte, förderte und auf vielen Wegen selber füllte, auch andere Zeitzeugen, die uns nahestehen, gehen in diesem Jahr langsam von uns fort. Viele andere sind schon gegangen, darunter die Dichter des ->Lyris-Kreises in Jerusalem. Oder auch ->Ingeburg Kähler. Und nur noch wenige sind da zum Berichten aus eigenem Erleben. Bei rainStein sind es so wichtige Stimmen wie ->Marianne Degginger ("Marianne"), die Schwestern ->Rhea und ->Ruth Schönborn ("Das Kind im Park") und ->Yvonne Livay ("Die Frau mit der Lotosblume").

Bedeutsam ist es daher, daß gerade jetzt der Roman ->"Hinter dem Schweigen" erscheint, der den Staffelstab aufnimmt und die Botschaft weiterträgt. Erzählt von einer, die zur "Nachkriegsgeneration" gehört - und damit zu denen, die in ihrem Dasein die Folgen jener Kriegs- und Vernichtungsjahre spüren. Die Fragen sind dieselben. Der Ton ein anderer. - Antwort zu geben, bleibt weiter unsere Sache.

 


25.06.21

Verena von Hammerstein, geb. Rordorf


Eine großartige Frau und rainStein-Mitinitiatorin ging heute von uns: Verena von Hammerstein, geb. Rordorf (1922-2021).

Verena von Hammerstein stammte aus einer uralt eingesessenen Züricher Familie, war Pfarrerstochter, sie studierte Theologie. Ein behüteter, von Bildung und Frömmigkeit bestimmter Weg, so sah es aus. So blieb es auch, dem Wesen nach, jedoch die Richtung änderte sich.

Das lag an ihrer Wachheit, ihrem Charakter, den Menschen, denen sie begegnete und der Zeit, in der sie aufwuchs. Allerdings, ohne Wissen, Zutrauen und Frömmigkeit hätte sie den Weg wohl kaum gehen können.

Denn sie brach mit dem Erwartbaren.

Sie freundete sich seit Kindheit mit jüdischen Mitschülern an, unterstützte aus der Ferne ihre französische jüdische Freundin (die, das wußte Verena noch nicht, in der Resistance kämpfte) und nahm ein jüdisches Flüchtlingskind auf. Juden waren damals auch in der Schweiz nicht sonderlich beliebt.

Nach dem Krieg arbeitete sie als Sekretärin der evangelischen Kirchenleitung in Paris und versuchte die komplizierten Verhältnisse, Motive und Handlungen während der deutschen Besatzungszeit zu verstehen.

Ein gutes Jahr später ging sie zum neugegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf und kümmerte sich u.a. um die Reorganisation der kriegsgeschädigten europäischen Kirchenstrukturen.

Dann tat sie den entscheidenden Schritt: sie war bereit, direkt im ehemaligen Feindesland, in Deutschland, zu arbeiten, ja, bald noch mehr: in einem Flüchtlingslager für deutsche Flüchtlinge. Es waren dort Menschen, die vor den sowjetischen Truppen hatten fliehen müssen (oder vertrieben worden waren), die ihre Heimat in den östlichen Gebieten Deutschlands verloren hatten.

Also war Verena nicht nur bereit, die Leiden der bisher Verfolgten zu lindern, sondern: jegliches Leid. Die Flüchtlinge, die sie in Deutschland (Espelkamp) vorfand, waren traumatisiert, heimatlos, besitzlos, oft waren es Witwen und Waisen. Sie hatten kaum Fürsprecher. Sie gehörten zum Strandgut des Krieges.

Aus der Lagerarbeit tat Verena schließlich den endgültigen Schritt: Sie heiratete einen Deutschen. Nicht irgendeinen, sondern den Bruder ihrer besten Freundin, Hildur von Hammerstein, die sie aus dem gemeinsam verbrachten Jahr in Genf kannte: Franz. Und mit Franz von Hammerstein, dessen Brüder wie Stauffenberg den Sturz Hitlers versucht hatten - und der darum im Zuge der Sippenhaft 1944 bis zum Kriegsende selbst inhaftiert worden war- , begann ein ganz neues Kapitel. 

Die Zuwendung zu denen auf der jeweils anderen Seite und die Treue zu ihren jüdischen Freundinnen blieb. In diesem Sinne suchte und fand Verena ihren eigenen Part, obgleich sie nun den Berufsstationen von Franz folgte: ein mehrjähriges Pfarramt in den USA, das Industriejugendpfarramt, die Aktion Sühnezeichen-Leitung, das Juden-Christen-Referat beim Genfer Ökumenischen Rat der Kirchen, die Leitung der Evangelischen Akademie Berlin (West) - um nur einige zu nennen. Franz hatte in all diesen Ämtern seiner Frau viel zu verdanken. Aber sie erschloß sich darüber hinaus immer mehr eigene Felder. Das größte davon war lange die führende Mitarbeit in größeren und kleineren Organisationen der Entwicklungshilfe, engagiert, unprätentiös und nach neuem Selbstverständnis, Wegen und Ideen suchend.

rainStein war eines der späten Projekte. Aber auch hier war es die Reaktion auf ein offensichtliches Problem: die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, die in Städten rasant zunehmende Anonymität sowie der damit zusammenhängende Verlust von Erinnerung.

Wir waren uns einig, wie nötig es wäre, das Gespräch zwischen den Generationen zu beginnen. So entstand unser Mehrgenerationenprojekt "rainStein" zur Erinnerungskultur. Wir experimentierten, Menschen zwischen 18 und 80 waren beteiligt. 

Nach Jahren noch besteht heute der rainStein Verlag. Verena von Hammerstein trug vielfältig zum Projekt bei. U.a. entstanden mit ihr bei rainStein der Interview-Film "Ich hätte keine Angst" und das Buch "Verena von Hammerstein und ihre jüdischen Freundinnen" (Vorwort: Sara Nachama).

Womit ihr Leben begann, so beschloß sie es: mit der Hingabe an ihren Glauben, ihrer Sorge um ihre jüdischen Freunde und ihrer Sehnsucht, sie möge auf dieser Welt ein Segen gewesen sein. 

Und das war Verena: Ein Segen. Jetzt ist es an uns, zu erinnern.



23.06.21

Hinter dem Schweigen. Roman

 


Wie befinden uns am Vorabend eines - für rainStein! - bemerkenswerten Datums. Im fünfzehnten Jahr des Verlages erscheint der erste Roman. Wie kann ein Verlag so lange ohne Romane auskommen? Das fragen Sie vielleicht. Nun, wir hatten mit anderen  Abenteuern zu tun: Wer verlegt schon Lyrik? Wer stürzt sich auf israelische Literatur? Wer baut aus Recherchen und Interviews umfangreiche biographische Romane und erzählende Dokumentationen? Ganz abgesehen von unseren DVDs und CDs! Ja, und nun also der nächste Schritt. 

Es begann im Herbst 2019 mit dem ganz und gar spontanen Entschluß zweier Menschen, eines Israelis und einer Norddeutschen, die in Berlin die Gedenkstätte "Topographie des Terrors" besuchten: Es sollte ein Roman entstehen! Einer, der zeigt, wie Seelen heilen, wie Brücken entstehen können. Und daraus entwickelten wir noch am gleichen Tag die Idee... 

Kunst und Liebe sind die zwei großen Wirkmächte in Menschen zwischen Deutschland, Frankreich und Israel, sie verwirren und lösen in dieser Erzählung, die wie ein Krimi ist.

Die Frage, die nie losläßt und hier eine der möglichen Antworten erfährt: wie leben wir mit der Last der vorhergehenden Generation? Wie mit eigener Vernichtungserfahrung? Wie können wir zueinander finden? Können wir überhaupt?

Im Roman finden sich keine theoretischen Fragen, es ist ein Geworfen- und Zerrissensein, ein Finden und Hoffen, zwischen Menschen und Kulturen. Geschrieben in kräftiger, lebendiger Sprache von einer, die diese Fragen umtreiben, die in verschiedenen Kulturen beheimatet ist und die, nicht zuletzt, in Südwestfrankreich kreatives Schreiben lehrt.


10.05.21

Bücher in Flammen


Es war im wunderschönen Mai, als alle Vögel sangen - da brachte man Stimmen zum Schafott, die andere Melodien kannten. Am 10. Mai 1933 vernichteten jubelnde Berliner Studenten und Professoren jene Bücher und Schriften, die nicht 100 Prozent der Meinung des Führers, der Partei oder auch nur des "Stürmers" waren. Aber zwischen diesen und auch den persönlichen Abneigungen der am Opernplatz Feiernden war kaum ein Unterschied. Jeder, der als "entartet" benannt, als abweichlerisch, unvölkisch, asozial oder revisionistisch ausgerufen war, wurde hier verbrannt: noch nicht er, physisch, sondern vorerst seine Worte, seine Meinung, sein Denken. Seine Stimme auf dem öffentlichen Markt und in der Aula der Universität. Er sollte verstummen. Und jeder, der hinfort wagen sollte, sich zu ihm zu gesellen, ihn zu lesen, zu zitieren oder ihm anderweitig zuzustimmen oder auch nur entfernt Ähnliches zu äußern oder irgendwie bei ihm zu stehen, würde mit ihm in die Flammen gehen und ausradiert werden. So kam es: Sie wurden ausgeschlossen aus der Reichsschrifttumkammer, ausgelistet in den Buchläden und Bibliotheken, nie mehr erwähnt in Zeitungen, Besprechungen, Plakaten. Keine Verlage mehr, keine Druckereien, keine Agenten, keine Werbung, keine Lesungen. Dafür fanden sie sich übergossen mit einem unsichtbaren Gift. Anderen war durch diese Kennzeichnung jeder geheime und öffentliche Angriff auf die Autoren, ihre Wohnungen und Familien, ihre Freunde und Leser erlaubt: straffrei, ja der lauten Zustimmung sicher.
Es war nicht das erstemal in der Geschichte, daß dies so geschah. Nur war es jetzt schnell landesweit bekannt, jeder hatte Zeitungen, jeder hörte Radio. Jeder wußte Bescheid.
Und man duckte sich im Land. Man las nicht (oder sehr heimlich). Man redete nicht, nicht einmal mehr mit Freunden - darüber. Man fragte nicht mehr danach. Die meisten vergaßen.
Nur wenige Jahre später: Die, die gerade erst noch verbrannt worden waren, kamen zu Ehren, wurden überall gedruckt, besprochen, gelesen, gefeiert - ja, der Scheiterhaufen hatte gebrannt, aber er hatte verloren. Am Ende hatte er nur vorweggenommen und kenntlich gemacht, wer es wert war, von kommenden Generationen gelesen zu werden. 
Denn die, die die Bücher zusammentrugen und die Flammen entfachten, kennt man nicht mehr. Sie sind, was sie sich als Herren, als Elite, als die Guten und Gerechten dieser Welt, nie hatten vorstellen konnten: vergessen, auf immer.

19.11.20

Mensch bleiben

 



November 2020. Zweifel und Verzweiflung bei so vielen Landsleuten. Und, ach, nicht nur hierzulande. Ein Virus, das allein durch sein Dasein und als Werkzeug uns aus allem gewohnten Leben reißt, in unabsehbare Zukunft stößt. Und jeder spürt, wie darunter und nach einiger Zeit die eigene Kraft, weiter sinnvoll und frei zu leben, begrenzt ist. Abgründe tun sich auf, draußen, zwischen uns, in uns. Wohin mit der Furcht? Wohin mit der Wut? Wohin, wenn es kaum noch etwas gibt, auf das sich setzen läßt? Womit uns trösten? Was den Kindern sagen? Was müssen wir tun? Welche Worte sind noch richtig? 

Wir haben keine Antworten. Was wir haben, sind mitgeteilte Lebens-Erfahrungen, die wir als Spiegel, Ermutigung, Warnung, Leitschnur, ja, auch zum Trost nehmen können. Hinter unserem Volk liegen Kriege, Inflation, lange und mörderische Diktaturen. Das sollte doch als Erkenntnisquelle und Rüstzeug reichen, auch wenn wir unwillig sind, selbst ebenso und wieder betroffen zu sein von den Seiten des Lebens, die wir verabscheuen.

Stellen wir uns der Realität. Lassen wir uns helfen. Lesen wir erneut in den rainStein-Büchern. Sie berichten aus den letzten einhundert Jahren, eine Schatzkiste an Lebenserfahrung, Lebensmut und Reflexion - vor allem von Frauen.

Anregungen geben eigentlich alle rainStein-Publikationen - und gegenwärtig, ergänzend, jene Beiträge, die, kurz und knapp, im neuen rainStein-youtube-Kanal veröffentlicht werden.

Lernen wir und gehen wir hinein in die Gemeinschaft derer, die wissen wollen, was ist und wie man darin Mensch bleiben kann.

10.11.20

Bücher zum November

 



Es sind nicht die ewig gleichen Themen. Es ist das ewiggleiche Leben. Denn es ist nicht so, daß wir enteilen könnten. Die Realität holt uns ein, wo immer, wann immer.

Wie gern wären wir die Lasten los. Wie gern hätten wir Drohung und Bedrohung hinter uns gelassen und wünschen uns so sehr, endlich die Früchte unserer Mühe und Arbeit zu ernten. Wie sehr wünschen wir uns, zu sagen: Nie wieder! Nie, denn das liegt hinter uns. Es wird nicht mehr sein! Wie sind frei, wir sind ohne Sorgen, der Kampf ist vorbei und die Folgen aller früheren Abgründe, Verbrechen, Kämpfe und das Versagen so vieler sind ebenso - verschwunden.

Es ist aber nicht so. Das Dunkle ist da, bleibt, eingegraben oder offen, und sieht nur manchmal ein wenig anders aus. Manchmal sehr anders. Manchmal sogar wie das Gegenteil dessen, was wir fürchten. Es behauptet auch, das Gegenteil zu sein - aber ist es nicht.

Woran erkennen wir, daß die Drohung den Raum betreten hat? An unserer Furcht, die wächst, ohne daß wir ihren Anfang bemerkt hätten? An dem dunklen Schatten, der über uns streicht? An dem Wort, daß wir nun doch nicht sagen? An der Erkenntnis, daß das, was zu lesen ist, dem widerspricht, was wir wissen?

Es war früher nicht anders. Zwar, was damals war, wird sich nicht wiederholen. Es wird aber wiederkommen - in anderer Gestalt.

Um uns also rechtzeitig zu wappnen, sollten wir uns erinnern, sollten uns orientieren, unseren Sinn und unseren Mut schärfen - wir sollten ihm u.a. begegnen, indem wir Zeitzeugen lesen. Zum Beispiel in folgenden rainStein-Büchern (und in anderen rainStein-Büchern, die hier nicht aufgezählt sind), - sehen Sie weitere Bücher, die Sie begleiten können, unter www.rainstein.de

Marianne

Das Kind im Park

Die Frau mit der Lotosblume

Frei in zwei Diktaturen 

30.10.20

Absurd und surreal

 

"Wieviel mehr, wie völlig absurd und surreal muß es für die Menschen 1940 gewesen sein, die aus normalem Leben heraus plötzlich überfallen, eingesperrt, von Vorschriften eingeengt, mehr und mehr ihrer Rechte beraubt und dann umgebracht wurden?" So steht es auf dem rainStein-blog


Hier der gesamte Text:

Diese Zeit jetzt verlangt so viel. Wer von uns fühlt sich dieser Tage nicht eingeengt, bedroht, ja in seinem Dasein eingesperrt? Wer macht sich keine Sorgen? Wer von uns weiß, wie es weitergeht, mit uns, unserem Leben im nächsten  Jahr - mit allem?

Kein Vergleich: Wieviel mehr, wie völlig absurd und surreal muß es für die Menschen 1940 gewesen sein, die aus normalem Leben heraus plötzlich überfallen, eingesperrt, von Vorschriften eingeengt, mehr und mehr ihrer Rechte beraubt und dann umgebracht wurden? --- Unvorstellbar.

Nachzulesen in unserem jüngst erschienenen Buch von Yvonne Livay Die Frau mit der Lotosblume.  Darin lesen wir die Briefe derer, denen das widerfuhr, wir erfahren vom Schrecken aus erster Hand.

Hierzu ein Leserkommentar von Dr. Angelika B. Hirsch: "Ich habe 'Die Frau mit der Lotosblume' gerade zu Ende gelesen. Es hat mich sehr beeindruckt und mitgenommen. Literarisch ist es natürlich sperrig, und zuerst macht es auch Mühe, weil nicht richtig etwas 'passiert'. Aber dann ist es gerade das, was die Situation so eindringlich macht. Ich fühlte mich so, als wenn ich am Zaun stehe und der Katastrophe im Zeitlupentempo machtlos zuschauen muss."

03.10.20

30 Jahre Deutschland - verspielt?

 

Auf dem Foto sehen Sie einen Ort meiner Kindheit, einen Ort der Freude, der, als Kind war es mir noch nicht bewußt, damals ein Ort des Verfalls war. Wasser und Schlösser hatten hier Kriege überdauert... das Wasser blieb, die Schlösser litten in Zeiten der Diktaturen. In der ersten durch den Krieg. In der zweiten durch Desinteresse und Abwehr.

Eigentlich waren die Schlösser ein Widerspruch in sich: das Volk liebte ihre Schönheit, den Charme von Wohlgestalt, Großzügigkeit, Verspieltheit, die Zeichen von Unbeschwertheit ehemals froher, kulturell anspruchsvoller Zeiten. Die Partei wollte sich mit all diesen schlösser-eigenen Vorzügen im In- wie Ausland ja auch schmücken, andererseits waren diese Bauwerke, leider, Zeichen eines vergangenen wie noch lebenden Klassenfeindes, den es zu bekämpfen, zu negieren und auszulöschen galt. Man - Partei, Staat und Staatsvolk - war eben Instrument des unabwendbaren historischen Fortschritts und dieser Fortschritt erforderte, die schrecklichen Seiten der Schlösserzeit auszustellen, nicht deren Herrlichkeit.

Eine der ersten Dinge, die meine Eltern in ihrem wiedergewonnenen westlichen Deutschland taten, war, dem Verein der Freunde preußischer Gärten und Schlösser beizutreten, nachdem sie den Verfall des oben zu besichtigenden Baukörpers nochmals intensiv wahrgenommen hatten. Der Aufbau dieses Kleinods war ihnen seither ein besonderes Anliegen, gut für zusätzliche Spenden - und Zeichen der neuen Zeit: das Alte sollte wieder gesehen, genossen, bewundert werden - um sich selber froh und frei und erhoben zu fühlen! Um sich verbunden zu fühlen mit den Altvorderen und dem, was man ewige Werte nennen könnte... - schließlich- wozu hatte man zwei Diktaturen bekämpft, überlebt und überwunden? Man hatte es ja fast für immer verloren - hier und jetzt galt es nun, im gemeinsamen Neugewinn jenem vernichtenden Kampf abzuschwören, dem Kampf gegen Andere (im Namen eines moralisch vorgeblich Guten), endlich und für immer.

Meine Eltern können nicht mehr sehen, daß Wasser und Gebäude im Herbstlicht glänzen wie ehedem, aber ihr Traum verdunkelt, gestört, ja verdreht wurde. Durch jene, die erneut all das, was war, umdeuten, abschütteln, denunzieren, verbannen wollen, die von alten Werten der Wertschätzung nichts wissen wollen und sich aufgemacht haben, ihre Gegner auszuschalten. Und dies können.  

Meine Eltern müssen dieses nicht heraufziehen sehen.

Wenn ich das Wasser betrachte, das geblieben ist und die Schönheit, die noch strahlt, dann glaube ich, daß eines Tages die alten Werte wieder leben werden. Nicht jetzt und vielleicht werde ich sie nicht wiedersehen. Aber sie sind stärker. Sie werden zurückkommen.

01.10.20

Und wenn nur eine gerettet wäre...

Und wenn nur eine gerettet wäre...

Für diejenigen, die die ungeheure Schreckenswelt erlebten, war wohl die dringendste Hoffnung, zu überleben. Die zweite, einer der Ihrigen möge überleben.

Und diese Hoffnung war von Anfang an und wiederholte sich, täglich, stündlich - jahrelang.

Für die, die schon gerettet waren, aber war es eine Pein, auszuhalten, daß der Himmel so blau, das Bett warm und der Frühstückstisch gedeckt war, während die, die sie liebten, irgendwo vor Angst erstarrten und täglich fortschreitend oder plötzlich durch irgendwen umkamen, umgebracht wurden.

Wie leben, während Mutter, Schwestern, Nichten daheim vor Todesangst vergehen? Wie leben, wenn die Briefe ausbleiben, Mutter, Schwestern, Nichten verstummen, weil sie ermordet sind?

Welche wahnwitzige, qualvolle Hoffnung, daß nur eine die Hölle überlebt haben möge! Irgendwie!

Der Hintergrund des dokumentarischen rainStein-Buches von Yvonne Livay, Die Frau mit der Lotosblume, ist eben dieses Drama.

Die eine - Yvonnes Mutter Salunka -, Schwester, Tochter, Tante, im sicheren Ausland, sieht in den ankommenden Briefen die wachsende Angst der Ihren und kann in aller Bemühung nichts Entscheidendes tun, sie zu retten.

Mutter, Schwestern, Schwäger, Nichten - sie wurden ermordet, zwischen 1942 und 1943.

Ein Schwager, früh ins Arbeitslager deportiert, überlebte, wanderte aus nach Israel.

Ungeklärt bleibt am Ende das Schicksal einer der Schwestern, die (wie der überlebende Schwager) früh ins Arbeitslager deportiert worden war. Ihre Briefe brechen Mitte 1943 ab, genau wie die der anderen Familienmitglieder, die im Sommer 1943 aus dem Ghetto direkt ins KZ deportiert wurden.

Arbeitslager - das war damals, so wahnwitzig es klingt, eine kleine Chance zum Überleben.

Hat diese Schwester, hat Adela überlebt?



Salunka versuchte, genau dies herauszufinden und ihre Nachforschungen haben sie zu dem Schluß geführt, daß Adela auf einem der Todesmärsche, die im Januar auch aus dem Arbeitslager (KZ) Grünberg-Ost, einer deutschen Wollmanufaktur, Richtung Deutschland begannen, ermordet wurde. So teilte es Salunka 1990 (?) der zentralen Dokumentationsstelle Yad Vashem in Jerusalem/Israel auf einem Erfassungsbogen handschriftlich mit.



Bei erneutem Suchen fand sich nun noch ein alter Eintrag: Getippt und deutlich vermerkt durch eine u.a. in Jerusalem arbeitende US-amerikanische jüdische Hilfsorganistion, nach deren Liste 1946 oder 1947 aus Jerusalem ein Hilfspaket im Wert von 7 $ an eine überlebende Adela Dancygier nach Walbrzych geschickt wurde - an eine Adresse also, die sich nicht weit von jenem ehemaligen deutschen Arbeitslager findet, das nach 1945 in Polen lag.

Dann - keine Spur mehr.

Dafür fand sich unerwartet eine andere Spur.

Um Adelas Schicksal möglicherweise aufzuklären, hatten wir nach Informationen zur Geschichte des Arbeitslagers Grünberg wie auch nach der Geschichte des Ghettos Dombrowa gesucht.

Dabei fiel uns eine Zeitzeugenaussage zum Ghetto auf. Es war der Bericht einer Frau, deren Alter, Name und Geschichte exakt zu einer im Buch Die Frau mit der Lotosblume mehrfach erwähnten und sogar zu Wort kommenden Freundin Adelas paßte: ihre Namensvetterin, jedenfalls was den Vornamen anbelangt. Daß der Nachname nun nicht mit dem im Buch verwendeten übereinstimmte, war erst einmal nicht wichtig - alles andere stimmte ja: Ort, Schicksal, Zeiten, - die Deportation von Dombrowa nach Grünberg, genau wie bei Adela Dancygier. War diese Frau möglicherweise die im Buch verzeichnete, nun vielleicht verheiratete, Adela Kestenberg? 

Um es kurz zu machen: Ja, das war sie. Diese Adela hatte, als eine der wenigen, Lager und Todesmarsch überlebt. Ihr war es gelungen... ihre Hoffnung hatte sich erfüllt. Und sie hatte sich nach all dem nicht nur ein neues Leben aufgebaut, in den USA, sondern hatte der Welt in Text und Film bezeugt, was in jener unausdenkbar schrecklichen Zeit gewesen war.

Und dann das Unerwartete - wir entdeckten: Sie hat nicht nur überlebt - sie lebt! Heute!

Eine Zeugin, die noch sprechen kann. Die als enge Freundin von Salunka, aus dem Arbeitslager Grünberg heraus und gemeinsam mit Adela Dancygier, gesprochen, geschrieben hat und noch berichten kann - im Alter von genau 100 Jahren!

Wir haben ihr jetzt das Buch in die USA geschickt - das Buch als das unabhängig entstandene Zeugnis jenes einstigen Kindes, zu dessen Geburt in Zürich sie, Adela Kestenberg, ihrer Freundin Salunka Cholewa (geb. Dancygier) aus dem Zwangsarbeitslager Grünberg heraus - zusammen mit Adela Dancygier - im Mai 1942 gratuliert hatte.

Übrigens fand sich noch ein Dokument: Adela Dancygier wie auch einige ihrer Familienangehörigen, stehen auf einer weiteren Liste, die erst im Januar 2020 öffentlich zugänglich wurde. Daraus geht hervor, wie sehr Salunka, als doch fast mittellose Jung-Einwanderin, neben allen Paketen nach Deutschland, ins Ghetto und ins Arbeitslager, auch in der Schweiz selbst um lebensrettende Hilfe für ihre Familie gekämpft hatte: Salunka versuchte, ihren Familienangehörigen ausländische Pässe zu beschaffen! Pässe, die eine Befreiung und Ausreise hätten ermöglichen sollten. Ergebnis: Adela Dancygier war, als eine von nur 3200 Juden, tatsächlich im Besitz einer neuen (zweiten) Staatsangehörigkeit, sie war laut der Lados-Liste (Warschau/Washington) Staatsangehörige von Paraguay.

Nur: Dieses Dokument oder/und Paß erreichte sie offenbar nicht oder bewirkte nichts.

Auf der Lados-Liste ist vermerkt, daß Adela Dancygier wie auch Rywka, ihre Mutter und Frania, ihre Schwester* mit neuen Pässen aus der Schweiz heraus versehen waren, aber nicht überlebt haben. Wie diese Informationen (vor allem, ob sie überlebt haben oder nicht) gesammelt wurden, wissen wir nicht. Aber: Alle diese Familienmitglieder stehen auf der Liste derer, für die im Ausland im ersten Schritt erfolgreich etwas bewegt werden konnte, für sie alle hat Salunka also gekämpft... Die Pässe und Staatsangehörigkeitsdokumente, von polnischen Diplomaten in der Schweiz in der kurzen verfügbaren Zeit einfach gefälscht, - sie retteten einige (nach manchen Berichten vielleicht nahezu die Hälfte) der Inhaber! Anderen, den meisten, nutzten sie nichts... Was immer Salunka unternommen hatte, und das war enorm viel, hatte nicht reichen können. Nichts hätte gereicht. Nichts wäre genug gewesen.

Wenn nur eine von ihnen gerettet würde.

 Wenn nur eine leben würde und bezeugen könnte...



379 Dancygier, Abraham Gabriel, 1895. Warschau. Paraguay. Umgekommen.

380 Dancygier, Adela, 1922. Dabrowa Gornicza. Paraguay, Staatsbürgerschaft. Umgekommen.

381 Dancygier, Anna (Chana Hinda), 1921. Warschau. Paraguay. Überlebt.

382 Dancygier, Frania. 1925. Dabrowa Gornicza. Honduras. Umgekommen.

383 Dancygier, Gila Fajga. 1918. Sosnowiec. Paraguay. Umgekommen.

384 Dancygier, Guta. 1922. Sosnowiec. Paraguay. Überlebt.

385 Dancygier, Halina (Chaja Sura) 1921. Warschau. Umgekommen.

386 Dancygier, Mordechai Salomou (Motek), 1919 Sosnowiec. Paraguay. Umgekommen.

387 Dancygier, Zidla. Grünberg Ost. Unbekannt.

388 Dancygier, geb. Fajersztajn, Lena Chaja, 1897 Warschau. Paraguay. Überlebt.

389  Dancygier, geb. Resecwajg Rywka Ita 1885, Dabrowa Gornicza. Unbekannte Dokumente. Umgekommen.


07.09.20

Gerettet

 


Eine wird gerettet, viele andere - nicht. Ein Kind wird denen entrissen, die ihre Ohren verschließen gegen alles Flehen und Klagen, denen, die Menschen wie wertloses Holz beiseite schieben, denen, die gegen die Schreie und aufgerissnen Münder gehen und über sie hinweg, um zuzupacken, schmerzhaft, um wegzuschleifen und fortzuwerfen. 

Ein Kind wird mutig denen entrissen, die niemandem ins Gesicht blicken. Denen, die schweigend mit großen Wagen kommen und brüllend mit Uniformen und Helmen. 

Einmal.

Am anderen Ort kommt niemand, um zu entreißen. Und niemand entkommt.

Warum erbarmen sich einige? Warum so viel Mut bei so wenigen? Während Tausende schlafen, Hunderttausende weghören, Millionen nicken und die Gefangenen verachten?

Hier ein Kind entrissen. Am anderen Ort nur eine Botschaft. Ein Zettel, heimlich davongetragen und in die Post getan. Der Schrei nach Leben, gegen den Tod überquert die Grenze, er allein - und wird gerettet. Der Schrei erreicht uns heute!

Beide Geschichten sind soeben im rainStein Verlag veröffentlicht worden.

Das Kind im Park von Rhea und Ruth Schönborn, Magdeburg/Berlin

Die Frau mit der Lotosblume von Yvonne Livay, Jerusalem

Im ersten Buch erzählt das gerettete, entrissene Kind. Und es weiß um seine Verwandten, die keine Retter hatten, die daher den Uniformierten nicht entkamen.

Im zweiten Buch wird uns von Briefen berichtet, von den Botschaften der Angst und des Abschieds... Botschaften der Schwestern, der Großmutter, die den Bewaffneten nicht entkamen. 

In beiden Büchern erfahren wir, wie es denen ergeht, die mit dem Überleben leben müssen.

Oben sehen Sie ein Gemälde von Ermanno Boller, er malte wiederholt diejenige, die nur noch Zettel in der Hand hatte, als alle ihre Verwandten daheim schon ermordet waren.

Was mit uns ist, das müssen wir entscheiden.

28.08.20

Welchen Weg gehen wir?

 



Die einen sind wörtlich in Gefangenschaft, in Polen, im Ghetto, eingekreist und bedroht von Deutschen, und die andere ist in der Gefangenschaft ihrer Hilflosigkeit, weil sie die Ihren vor dem Mord nicht schützen kann. Das ist die Tragödie von Salunka Dancygier, die alle ihre jungen Schwestern, kleinen Nichten, ihre Mutter, Freunde, Bekannte und Verwandte in Dombrowo an die riesenhafte, rasende, allgegenwärtige Mordwelle verliert. Von der Schweiz aus sieht sie es, aus der Ferne, und liest die Briefe - die Worte derer, die sie liebt, die sie lieben... und weiß, sie kann nichts und niemanden retten. 

Die Deutschen lesen zur selben Zeit in der Zeitung, daß nun durch ihre Landsleuten durchgegriffen werde, daß man es sich nicht länger bieten lasse. Sie lesen, daß per Verordnung und Tatkraft alle Übel jetzt ausgerottet und die Welt für die Willigen und Richtigdenkenden endlich besser würde. Alle Störenfriede und Unruhestifter würden nun weggesperrt, mit harter Hand von der Erde vertilgt, damit die strahlende Zukunft der Guten endlich beginnen könne.

Die Gefangenen in Polen überlebten den unerbittlichen Willen der Deutschen zur Transformation der Welt nicht. Salunka Dancygier verbrachte ihr Leben mit dem schweren Versuch, dennoch zu sein, zu leben und zu lieben.

Ihre Tochter Yvonne Livay berichtet davon. Und wie sie den Weg der Mutter weiterging.

Welchen Weg gehen wir?


Yvonne Livay: Die Frau mit der Lotosblume, rainStein 2020

06.08.20

Im Sommer 2020


Es gibt Menschen, die interessieren sich für ihre eigene Geschichte: Woher ihre Familie stammt, wer sie sind und wie sie wurden, was sie sind. Sie wollen wissen, wer und was sie geprägt hat, wer und wie die Vorfahren waren. - Und überhaupt: wie war es früher, Wald und Wasser, Häuser und Kinder zu sehen? ....Sie stellen sich diese Fragen auch, um sich selbst besser zu verstehen, um sich vollständiger zu fühlen... um das eigene Leben künftig (oder gegenwärtig) besser "nutzen" zu können... Das ist nicht nur Neugier, nicht nur Spurensuche, nicht nur genealogische oder historische Leidenschaft, es ist auch eine uralte Art von uns Menschen, mit der Frage nach dem Sinn fertig zu werden.

Es ist allerdings zuweilen nicht so einfach, mit dem so Entdeckten umzugehen. Denn das neue Wissen kann neue Probleme aufwerfen - anstatt welche zu lösen. Oder zumindest alles noch komplizierter machen.

Oder es ist ganz anders - das neue Erkennen hilft, klärt, reinigt, stärkt. Auch wenn man nur das Gefühl hat, endlich etwas begriffen, ausgefüllt, bestätigt, wiedergutgemacht - dem Leben zurückgegeben zu haben.

Manchmal: zurückgegeben gegenüber Menschen, die durch Gewalt ums Leben kamen. Denn so etwas ist und war möglich. Es ist und war real...

Wenn wir auf die Vorfahren schauen: Großmütter, Tanten, Cousinen wurden umgebracht. Sie begegneten am hellichten Tag, nicht in Film oder Albtraum, dem Bösen. Sie standen dem Schrecken gegenüber, direkt und unausweichlich: Krieg, Verfolgung, Mord, Mensch für Mensch.

So geht es mit einigen Entdeckungen, die wir machen. Solche machen wir in beiden rainStein-Büchern dieses Sommers 2020:

Rhea und Ruth Schönborn "Das Kind im Park" und

Yvonne Livay "Die Frau mit der Lotosblume".

Ewa aus Dombrowa, Polen

Während wir uns also im Deutschland der Gegenwart, im Sommer 2020, mit einer fremdartigen Pandemie befassen sowie den darüber stattfindenden Diskussionen (oder auch deren Ausbleiben) und, samt Nachbarn, Freunden, Kollegen und Verwandten, nicht recht wissen, wie in Handlung, Ausdruck und Emotion mit der ungewohnten Lage umgehen, lesen wir in den neu erscheinenden rainStein-Büchern von Momenten, Tagen, Jahren, - Wintern, Sommern -, in denen Menschen, Verwandte der Autorinnen, ihr Unglück, ihre Unterwerfung, ihre Entrechtung und Ermordung vor Augen hatten -- und eben damit umzugehen gezwungen waren.

Diejenigen, die diesen Menschen, deren Leben tatsächlich gewaltsam beendet wurde, das Unvorstellbare antaten, die ihnen das Leben nahmen - waren die Menschen, die vor uns zu unserem Volk gehörten (sowie deren Helfer aus anderen Nationen): unsere Vorfahren, Menschen wie Du und ich, solche wie alle, die heute mit uns leben.

Was kann man tun? Was lernen?

Die einen haben den Verlust, Leerstellen, den immerwährenden Schmerz.
Die anderen haben Ratlosigkeit und eine Chance, zu verstehen. Ja, wer immer sich heute im Recht, im unzweifelhaft guten Teil der Menschheit wähnt, erinnere sich: Die damals das kleine Kind, die junge Frau, den Vater mitnahmen und dem Tod entgegenstießen, fühlten sich ebenfalls als Gerechte! Sie meinten im Recht, auf der Seite der Richtigen, im Namen des Guten zu handeln, zu sein.

So also entdecken einige noch heute Qualen auf ihrer Ahnentafel, ins Leere führende "Lebensläufe", die den Atem nehmen-. Und andere - andere entdecken das Schweigen. 

Und, wenn sie bereit sind, die Frage an sich selbst.

Hillel aus Berlin



01.08.20

Das Kind im Park - mitten in Berlin




Wohin sich wenden in Berlin? Ob Tempelhof oder Charlottenburg, Johannisthal oder Mitte oder Zehlendorf -- überall ist es erst Jahre, wenige Jahrzehnte her, daß Menschen gejagt wurden. In ganz Berlin. In ganz Deutschland. Im Namen des Richtigen, der besseren Zukunft, der gerechteren Welt - aus Überzeugung und Leidenschaft wurden Menschen gejagt, gefaßt und getötet. Mann, Frau und Kind. Es war egal, was der Einzelne gedacht, gesagt, getan hatte - nur welcher Gruppe er zugehörig war oder welche Zugehörigkeit ihm zugesprochen wurde von den Jägern, entschied über sein Schicksal.

Der Jäger waren viele, sie waren überall, sie hatten Schreibmaschinen, Schreibtischstühle, Kameras, Zeichenstifte, Waffen, sie erschienen in Uniformen oder Zivilkleidung, sie waren einfach überall, in jedem Haus, jeder Straße, jedem Büro. Mit Argusaugen und Eifer. Deutsche, schien es, in ihrem Element. Im Namen des Guten und Wahren wurde allgegenwärtig vernichtet. Man war sich sehr einig.

Und es waren viele, die zuschauten. Mit kleinen Dingen halfen. Formulare schickten, das Vernichten in Amtsstuben sorgfältig vorbereiteten, verzeichneten, abrechneten. Die Schulungen durchführten, Haltungen überprüften, Meldungen erstatteten. Mitnickten, mitsangen, mitschlugen. Zuträger und Nachträger des Jagens.

Solche gab es, die die Nachbarn, den Schlüssel schon in der Hand, meldeten. Die in die Wohnungen der Verjagten einzogen. Umgehend. Die die Vernichteten für Ungeziefer hielten. In ihren Betten schliefen, von ihren Tellern aßen. (Bis heute.)

Viele auch, die die Jagd nicht sehen wollten und sich nicht einmal eingestanden, daß die Jagd gerade stattfand - denn beim Hinsehen und Wahrhaben hätten sie ja auch sich und ihr Nichtstun sehen müssen. Sie hielten ihre Zeitung fest in den Händen, denn dort stand, daß alles gut war und, was geschah, nur gerecht und nur die Richtigen traf. Wer etwas anderes behauptete, war selbst ein Feind und mußte zum Schweigen gebracht werden.

Manche gab es, denen war die Jagd zuwider. Weil sie einen gut kannten und mochten, der da nun verfemt, verhöhnt, gezeichnet, durch die Straßen geschleift und getötet wurde. Es war ihnen zuwider, sie fanden es unwürdig und ungerecht, aber sie vermieden jede Regung, taten nichts, denn  - hätten sie ihr Gesicht verzogen, ein Wort gewagt, eine Hand gereicht - wären auch sie auf die Jagdliste geraten, auf die LKWs, in die Lager und Kammern des Todes. Das wußten sie. Hielten still. Und wurden krank an Albträumen.

Einige wenige aber kümmerten sich nicht um Zeitungen, Regierung und Nachbarn. Sie brachten es nicht über sich, die Gejagten als Schablonen eines Bösen zu sehen, dessen Verschwinden alle und alles nun heilen würde. Sie sahen die Gejagten und sahen nicht Schablonen, sondern Menschen. Sahen ihre Augen, Gesichter. Sie hielten die Tür auf. Sie gingen hin und holten ein Kind zu sich. Sie hielten diese Vogelfreien der Medien, der Regierung, die Lieblingsfeinde ihrer Nachbarn weiter für Menschen. Sie halfen. Und halfen trotz des Schwertes, das dann über ihnen hing --- mit ihrem ganzen Leben.

Diese Geschichte berichtet genau davon - von jenen, die halfen. Und von denen, die gejagt wurden - in den Tod... durchs Land... in tiefste Gefahr.

Diese Geschichte wird erzählt von einer, die als kleines Kind von gänzlich Fremden gerettet wurde - mitten in Berlin. Im Februar 1943.

Soeben, Ende Juli 2020, bei rainStein erschienen: Das Kind im Park.
Autobiographie, mit Dokumenten und vielen Fotos.

15.07.19

Emil. Ein Held.


Am 15. Juli starb er. Nachdem schon zwei seiner Söhne und seine Frau gestorben waren. Er war bis zuletzt voller Tatendrang, voller Ideen, ein Anführer in allem, was er dachte und tat. Ein Spurenfinder und Spurenleser, ein Bahnbrecher und Wegbereiter - der vielleicht vielseitigste, talentierteste, erfolgreichste und dazu pragmatischste Wissenschaftler, den Deutschland je hatte. Einer der unabhängigsten, freiesten Denker, standhaft, willensstark und tapfer. Ein Vorbild! Ein wirkliches, echtes, brauchbares Vorbild - damals für unendlich viele, weltweit... Und heute.

Heute?

Vergessen, in Deutschland. Wie kann Deutschland so jemanden vergessen? - Nach 100 Jahren: Wir waren nur vier, die vor seinem Ehrengrab standen, ein kleines Grüppchen. Aber neugierig und entschlossen. Entschlossen, Emil zu ehren!

Wie kann es sein, daß keine Zeitung, kein Radio, Fernsehen oder wasauchimmer an Medium an Emil erinnert?
Welche Themen haben wir denn, täglich, über die wir lesen, reden, hören?
Wer ist denn noch, der wirklich ein Beispiel gibt, mit seiner Leistung? Mit seinem Leben?
Wer bringt denn das Land wirklich voran - mit neuen Entdeckungen, Lösungen, Ideen, genau, penibel, überprüfbar, umsetzbar, praktisch, überzeugend, funktionierend, nützlich für alle? Wer bringt die zusammen, die zusammenkommen müssen, damit unkonventionell gute Lösungen gefunden und in Gang gesetzt werden können? Wer denkt das Leben und seiner Grundlagen neu? Wer verweigert sich allen modischen Ideologien? Wer verlangt von sich selber das Letzte - in allem, als Grundlagenforscher, Vorlesungskünstler, Erfinder, Praktiker, Politiker, Vater?
Wer reißt die Jugend mit - hin ins kritisch Nachprüfbare, tausendfach Geprüfte - und wer reißt sie voran in den technischen, wissenschaftlichen Fortschritt- der für alle Verbesserung und Lösung und Erreichbarkeit und endlich Bezahlbarkeit bringt?

Wer kommt ihm gleich? Wer nach ihm brachte so viel für uns alle hervor und wer brachte so viel ein und half so direkt und praktisch und lange über seinen Tod hinaus, bis heute? Wer hatte so wenig Angst? Wer war so realistisch und zupackend und effizient in allem?

Emil war es, der König der Wissenschaften. Emil Fischer, der heute vor 100 Jahren von uns ging.



10.07.19

Emil Fischer. Wir reden darüber.



Emil Fischer! Man könnte auch Goethe sagen oder Schiller. Nur: Emil Fischer? Wer kennt den? Fachleute, ja, die kennen ihn alle. Die Allgemeinheit kennt ihn nicht. Warum? Darüber wird im rainStein- Buch „Der Nobelpreisträger. Emil Fischer in Berlin.“ geredet. 1902 der erste deutsche Nobelpreis für Chemie. Die ganze Welt feierte Emil!

Und heute? Da ist das mit Emil aktueller denn je! (Nicht nur, weil sich am 15. Juli der Todestag jährt. 100 Jahre! Kein Mensch spricht darüber!-?) Sondern weil Emil Fischer ein Vorbild ist – für alle. Für unermüdliche Neugier, unbeirrten Ehrgeiz, Fleiß, unerhörte Intelligenz und Willenskraft – trotz Krankheit -, unerschöpfliche Ideen, Talent, den riesigen Erfolg… für Menschlichkeit, politische Klugheit, Weitsicht… die Bereitschaft, sich für den Fortschritt  der Wissenschaft ganz in deren Dienst zu stellen: letztlich für die Verbesserung der Lebenslage ganz normaler Leute. Für Medikamente, Krebstherapien, bezahlbare Kleidung, Nahrung, Werkstoffe diverser Art… die Erkundung, Vermessung, Beschreibung unserer chemisch-biologischen Lebensgrundlagen! Deren Dechiffrierung und den künstlichen Nachbau… Dazu die Förderung jüdischer Kollegen gegen jeden Zeitgeist.

Das und viel, viel mehr war und ist Emil Fischer! Einer unserer Größten. Goethe. Schiller. Fischer! Wir reden darüber.

05.06.19

Der vergessene König



Foto: rainStein


Ja, Emil Fischer hat natürlich ein Ehrengrab der Stadt.
Aber wer ehrt ihn - heute? Wirklich?
Es gibt nur wenige Straßen, Schulen, die nach ihm benannt sind.
In den Zeitungen steht nichts über ihn, obgleich er - weltweit anerkannt - der größte von allen war.
Warum ist er so vergessen?



Einige Fragen werden in diesem Buch von Dörthe Kähler beantwortet.

Und: rainStein ehrt Emil Fischer. Jedes Jahr. In diesem Jahr besonders, mit einer Veranstaltung am 14. Juli.




31.05.19

Emil Fischer. Der größte Wissenschaftler, den wir je hatten.

Foto: rainStein

Tatsächlich, es sind bald 100 Jahre. Es waren reichlich chaotische Tage in Berlin, denn der Krieg war am Schluß doch noch in die Hauptstadt gekommen, als Revolution, und hatte alle durcheinander geschüttelt. Hungerzeiten waren es und die Menschen blieben erschöpft zurück von all den Versuchen, zu überleben, den Alltag zu organisieren, die Toten zu betrauern.
Erschöpft war auch Emil Fischer.
Jahrelang hatte er seinem Volk geholfen, den Krieg materiell durchzuhalten - mit Ersatzstoffen für alles und jedes, Ersatznahrung, Ersatzbrennmaterial, Ersatzkleidungsstoff, - und neuen Medikamenten.
Nicht, daß er seiner Erschöpfung nachgegeben hätte. Er, der um seine Frau und zwei Söhne trauerte, war buchstäblich Tag und Nacht auf den Beinen, um zu arbeiten, zu forschen, zu erfinden, Hochleistungslabore zu bauen, Begabte zu fördern und auszubilden, sinnvolle Wissenschaft zu organisieren. Deutschlandweit. Er war der absolute, bewunderte, unangefochtene Spitzenmann der deutschen Wissenschaft, ein König nicht nur seiner Disziplin: der Chemie.
Er hatte die Bausteine des Lebens entdeckt. Und den Weg, diese Bausteine künstlich nachzubauen.
Er war der Nobelpreisträger, seit 1902. Man kannte ihn in allen Ländern, auf allen Kontinenten. Emil Fischer aus Berlin. Der Freund der Juden. Der Freund in Feindesland.

Als ein Freund ihm die Diagnose mitteilte - die neuartigen Medikamente würden ihn nicht retten - ordnete er seine Angelegenheiten, nahm noch an Sitzungen teil, in der Nacht verabschiedete er sich vom einzigen verbliebenen Sohn, seiner Haushälterin - und nahm sich das Leben.

Er ist in Berlin-Wannsee begraben.
In der Straße Zum Löwen/Ecke Emil-Fischer-Straße erinnert ein rainStein-Schaukasten an ihn.

Dörthe Kähler: "Der Nobelpreisträger. Emil Fischer in Berlin." rainStein 2009

22.05.19

Zusammentreffen

Foto: Gundi Abramski

Manchmal ist es so, dass Geschichten, die vor Jahrzehnten begannen, eines Tages zueinander finden und - passen.
Hier sind es Frauen, die jede für sich weite Teile ihres Lebens mit ein und demselben Thema beschäftigt waren, die nun aufeinander treffen und dabei gemeinsam etwas Neues entstehen lassen können.

Dreh- und Angelpunkt ist in diesem Fall Verena von Hammerstein, die sich Mitte Mai mit ihren 97 Jahren noch einmal von Berlin nach Potsdam-Babelsberg bringen läßt, um als Ehrengast an der Jahreskonferenz von Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste teilzunehmen. Sie will auch ihr im März erschienenes Buch von Dörthe Kähler vorstellen: Verena von Hammerstein und ihre jüdischen Freundinnen.
Die jüdischen Freundinnen waren Teil von Verenas Leben, lange ehe sie Franz heiratete. Ja, nicht zuletzt heiratete sie ihn, den ehemaligen KZ-Häftling, weil sie beide ein gemeinsames Anliegen hatten. Sie trieb ihn an und trug ihn mit... gerade und erst recht, als Mitgründer und später (1968) Leiter von Aktion Sühnezeichen wurde oder als er 1976-1978 das Referat "Juden und Christen" beim Ökumenischen Weltkirchenrat in Genf innehatte. Und bis heute treibt es sie um, was gegen Antisemitismus hier und heute getan werden muß.

Auf andere, ganz eigene Weise beschäftigt das Dasein und die Geschichte von Juden und dem Staat Israel auch Dörthe Kähler, Patenkind von Franz und Vreni, seit ihrer Kindheit in der DDR.

Und nun, nachdem im Buch von Verena von Hammerstein und Dörthe Kähler schon einiges zusammengekommen ist, trifft man sich bei der Tagung in Potsdam, blickt zurück und sieht zugleich, was hier bei Sühnezeichen von der jungen Generation im Namen versuchsweiser Verständigung und Versöhnung auch heute weiter von Juden gelernt und für Juden getan werden will und wird.

Die Gemeinsamkeit inspiriert - auf zu neuen Ideen und Taten!

29.04.19

Eine Geschichte von Widerstand und Ohnmacht


Ein Kind, wohlbehütet, wächst in den Zwanzigern und Dreißigern des 20. Jahrhunderts in Paris und Montreux, dann wieder Paris auf... das Schicksal wendet sich abrupt mit dem Tod des Vaters, als es vierzehn ist... und noch viel mehr wendet es sich, als die Deutschen in seine Stadt einmarschieren. Da ist das Mädchen achtzehn. Sie flieht, schwanger, mit ihrer Mutter und ihrem Ehemann, in den französischen Süden... Sie geht in den Widerstand, sie ist Jüdin. War der Widerstand eines verfolgten Juden damals "normal"? Nein!  Ihr Mann, Jude und ebenfalls (als Fluchthelfer) in der Resistance, landet im KZ. Der Widerstand der jungen, nun schon zweifachen Mutter aber geht weiter, mit allen Mitteln.

Diese und andere Geschichten werden erzählt von Verena von Hammerstein, die in der Schweiz aufwuchs. Es sind Geschichten ihrer jüdischen Freundinnen, Freundinnen von Kindheit an. So ist es auch die Geschichte einer Ohnmacht: Im Sicheren zusehen oder besser: erahnen zu müssen, was diejenigen erleiden, die einem so nahe stehen.

Das hatte für Verena damals schon Konsequenzen - und es hatte dann Konsequenzen ein Leben lang.
Ohnmacht bleibt gewiß ein Bestandteil des Weges, den Nichtverfolgte gehen. Dennoch sind echte Anteilnahme, Verstehenwollen und Suchen nach jedweder möglichen Hilfe für Menschen, die unschuldig unmittelbar vom Tod bedroht sind, eine Chance, uns selbst aus der Ohnmacht zu helfen.

Dörthe Kähler: Verena von Hammerstein und ihre jüdischen Freundinnen, rainStein 2019, 19,90 €

21.04.19

Ostern 2019


Foto: rainStein



Woher ist das Leben so plötzlich
mit aller Kraft gekommen?
Woher bricht es ein
in unsere Welt?
Was hat es sich vorgenommen?

Was macht es so warm
auf unserer Haut und gibt dem Auge
was es erbaut
wenn doch die lange, eisige Nacht
noch besteht mit finsterer Macht?

Was ist es? Was birgt es?
Wollen wir dem Geheimnis vertrauen?
Ein Pfeil aus Licht durchbricht
die Zeit.
Seit Menschengedenken.
Der Pfeil zur Ewigkeit.

rainStein

07.04.19

Eine Rezension


Ja, die Kirchenzeitung für die Evangelische Kirche in Berlin, Brandenburg und oberschlesische Lausitz hat das jüngste rainStein Buch von Dörthe Kähler, "Verena von Hammerstein und ihre jüdischen Freundinnen", zur Lektüre empfohlen. Verena und ihre Geschichte gehören natürlich in den kirchlichen Kontext, ist sie doch selbst Theologin (Examen bei Kriegsende) und Tochter wie Frau eines Pfarrers. Und jüdische Freundinnen sind zumindest bei einem Teil der Kirchenmitglieder bestimmt eine gute Sache.

Die Empfehlung aber hat einen weiteren Fokus: Daß in diesem Buch Geschichten über Frauen von Frauen erzählt und reflektiert werden. Nicht zu vergessen natürlich das Geleitwort - ebenfalls von einer Frau!
Männer kommen im Buch tatsächlich nur am Rande vor.
Bücher über Frauen, von Frauen erzählt und geschrieben - sollte das heute  eigentlich noch so ungewöhnlich sein?
Oder ist dies das Spezielle: Daß Frauen im christlichen und jüdischen Kontext bedeutungsvoll genug sind, daß ihre Geschichte erzählt wird?
Für die Generation, von der im Buch hauptsächlich die Rede ist, gilt das gewiß. Es ist noch nicht lange, daß Frauen in der Kirche sichtbar eine Rolle spielen! Eine Rolle als Individuen, als Sprechende, als Amtsträger, als Prägende.
Heue ist das ganz anders, aber es war nicht so. Und aus jener anderen Welt berichtet das Buch: Wie Frauen ganz unabhängig vom Frauenbild ihrer Zeit selbstständig, frei und mutig gehandelt haben.

Ein Zitat aus dem Geleitwort lenkt den Blick auf einen weiteren Grund, weswegen der Rezensentin das Buch wichtig sein könnte: Es zeigt, wie sehr es auf die Tat (eines einzelnen Menschen) ankommt. Nicht auf "Glauben", sondern auf die Tat. Nicht das Wortbekenntnis, sondern was wir tun, zählt.

Es zählt nicht, ob wir uns als antifaschistische Demokraten begreifen, sondern ob wir uns schützend vor Juden stellen: heute.  Es zählt nicht, ob man davon redet, "wegen Auschwitz" in die Politik gegangen zu sein, sondern ob Deutschland sich endlich schützend vor Israel stellt.

Daher ist dieses Buch wichtig. Und die Rezension.






02.04.19

Frühling

Heute ist der Frühling da, mit einemmal sieht die Welt ganz anders aus, alles verändert sich - wir auch. Für den Moment sind wir berührt, verbunden mit allem, was lebt, verbunden mit Licht und einem großen Gefühl für Aufbruch und Neubeginn.


Foto: rainStein

Ein Glück, daß wir das erleben können - jedes Jahr! Als hätten wir es nie erlebt. Und doch ist es vertraut und läßt unsere tiefe Bindung spüren - an das Leben, dessen Teil wir sind.

Es verbindet uns mit uns selbst, mit unseresgleichen und mit allem, was größer ist als wir.

Seit Jahrtausenden besingen wir diese fast nicht beschreibbare Zeit.
Menschen nutzen, was sie um sich herum erleben, von altersher als Kraftquelle und Seelenbrunnen.
In unseren Worten lebt Staunen, lebt die Hoffnung, die das Überall-Werden in uns weckt.
Hoffnung, die wir brauchen wie Regen und Licht.

Worte verbinden, Verse und Bücher:
Sie verbinden über Generationen, über Länder, Sprachen und Völker.

Wir sind nicht die ersten. Und wenn wir unsere Worte dazutun, werden wir nicht die letzten sein.

rainStein stimmt Jahr für Jahr in den großen Gesang ein.






27.03.19

Messe lesen

Es war ja gerade die Leipziger Buchmesse. Ein riesiges Event. Und tatsächlich, dem Vernehmen nach drängten sich dort nicht nur die Verlage, sondern Autoren - und, viel erstaunlicher - Leser!
Ja, man sieht, es gibt sie noch.
Für die Leser war das natürlich, nach allem Aufwand, hin und hinein zu gelangen, ein ausgesprochen angenehmes Erlebnis, endlich unter Lesern zu sein. Jeder hatte das schöne Gefühl, sich endlich unter Gleichgesinnten zu fühlen.
Denn, selbstverständlich, an diesem Ort sind überall Menschen, die sich in Welten verlieren können.
In hunderttausend verschiedenen Welten.
Was sie gemeinsam haben, ist eben das Hinzugewinnenwollen und das Sichverlierenwollen.
In welchen Büchern auch immer, welchen Genres, von welchen merkwürdigen Autoren geschrieben und obskuren Verlagen verlegt.


Foto: rainStein

Außer natürlich: der/die/das wäre als rechts bekannt.
Das ist das, was man in den letzten Jahren von diesen Events hörte, - mehr als von Büchern, die neu und aufregend gewesen wären.
Man hörte, dass es in einer Demokratie bekanntlicherweise nur eine Denkrichtung gäbe, nur eine aller möglichen Denkseiten geben darf. Daher hätte man diese Unaussprechlichen der anderen Seite zu meiden.

Was aber genau da sozusagen falsch geschrieben und falsch verlegt steht und gemieden werden muß, wurde nicht näher mitgeteilt.
Nur: es wäre eben die unberechtigte und damit eindeutig gefährliche Seite.
Als Leser, der eigentlich nur gekommen ist, um zu lesen, habe man beim Schlendern gegebenenfalls die engagierten Schreier zu unterstützen, die neben einem aufmarschieren, mitten unter den Büchern. Man habe bei denen zu sein, die gegen das Unaussprechliche anbrüllen. Einfach mal reden darf man mit dem Nichtseiendürfenden jedenfalls nicht.
Als Leser nicht und nicht als sonstwer.

Offenbar kommen die Leser und einige machen, was gewollt ist.

Nun, wir waren noch nie dabei. Wir kennen sie alle nicht. Wir wollen aber auch nicht dahin gehen, wo einer den anderen bebrüllt, egal, wer das ist. Ich brülle ja hier daheim auch nicht meine Nachbarn an.

Was rainStein vielleicht noch unterscheidet: Hier gibt es Bücher, die nicht verbieten, vergiften, sondern über wirkliche Gefahren schreiben - mehr noch über Lösungen. Und die gegen echten Judenhass - da, wo er wirklich ist - anschreiben. Bücher, die berichten und die verstehen lassen. Werbend, ohne niederzubrüllen.

20.03.19

Warum immer wieder diese "Winde über Jerusalem"?



Foto: rainStein

rainStein, das wissen einige, lädt gemeinsam mit den Klezmerschicksen seit Jahren zu einer Veranstaltung ein, die nennt sich "Winde über Jerusalem" (ein Buchtitel aus dem rainStein Verlag).

Manche lockt der Titel, andere finden ihn irritierend.

Die Veranstaltung reicht in Zeiten zurück, als viele der deutsch dichtenden LYRIS-Künstler aus Jerusalem noch lebten und einige sogar nach Deutschland reisen konnten. Das ist nun nicht mehr so. Aber die Abende finden immer noch statt. Warum?


Sie sind längst abgelegt, in Archiven, in Gedenkstätten, auf Friedhöfen und, vereinzelt, in Heimen, irgendwo in Übersee, selten in Europa, mehr in Israel.
Ihre Stimme kennt man nicht mehr und die nachfolgenden Generationen gehen darüber hinweg.

Aber es gibt sie noch. Hier. Auch wenn nicht mehr viele leben - ihre Worte sind da, ihre Zeugnisse, darin aufgehoben, sind lebendig, wir spüren in den Texten, in von rainStein herausgegebenen Büchern ihre Lebenslust und ihre Lebenstrauer. Ihre Botschaften! Die Botschaften an uns.
An uns, weil wir diejenigen sind, die sie verstehen. Weil wir diejenigen sind, die ihre Sprache sprechen und uns mühen können, sie zu verstehen und zu hören und so (wenn wir nur wollen! mehr als auf Stolpersteine zu treten!) den lebendigen Zeugnissen Aug in Aug, Ohr in Ohr begegnen.




18.03.19

Irrtum



Oh, Verzeihung, es war keine Absicht.
Wir wollten hier beileibe nicht so häufig darüber schreiben. 
Aber so ist das - der Grund, warum wir uns für den Respekt vor Juden 
und Israel einsetzen, hört einfach nicht auf, aktuell zu sein.

Keine Woche war es her, daß im Französischen Dom zu Berlin ganz offiziell von Staat und Kirchen Brüderlichkeit beschworen und zum Kampf gegen Judenfeindschaft aufgerufen wurde. 
Da geschahen zwei Dinge auf einmal: Nach anhaltend großem Druck seitens Israel und USA hinderten deutsche Behörden in letzter Sekunde eine verurteilte und reuelose Judenmörderin daran, mitten in Berlin für judenmörderische Ideen zu werben.

Und nur einen Tag zuvor geschah es, daß das oberste deutsche Parlament tagte, um seine Haltung gegenüber Juden und deren einzigem Staat zu klären. Und, in Konsequenz, die Position der deutschen Bundesregierung in internationalen Abstimmungen gegenüber Juden und dem einzigen jüdischen Staat dieser Welt zu klären.
Die FDP, u.a. auf Betreiben eines Exiliraners, hatte einen wohlformulierten Antrag eingebracht.

Natürlich stimmten die anwesenden FDP-Abgeordeten für den Antrag, der das israelfeindliche Abstimmungsverhalten Deutschlands in internationalen Gremien (nicht nur in der UN) hin zu Auswogenheit und Fairness ändern wollte.
Überraschend: fast alle AFD-Abgeordneten stimmten ihren FDP-Kollegen zu.
CDU und SPD hingegen lehnten den Antrag ab. Die Grünen enthielten sich. Bei den Linken und der CSU fand sich je ein Abgeordneter, der den FDP-Kollegen zustimmte.

Wie Prof. Wolfsohn richtig feststellt: Die AFD kann man jetzt, nach der Abstimmung, plötzlich nicht mehr als judenfeindlich bezeichnen, die übrigen Parteien, ausgenommen FDP - wenn Taten, nicht Worte zählen! - zu unserem Entsetzen aber nun schon.

Tweet-Kommentar der FDP-Generalsekretärin Nicola Beer zum Abstimmungsergebnis: "Während die Hamas Raketen auf Israel feuert, stimmt Bundestag mit Stimmen der GroKo & Linken bei Enthaltung der Grünen gegen einen Antrag auf Neuausrichtung der deutschen Israelpolitik in der UN. Es ist beschämend."



Auszüge aus der FDP-Resolution:

Seit Jahrzehnten verabschieden verschiedene Gremien und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (VN) eine Vielzahl an Resolutionen, in denen ausschließlich Israel verurteilt wird, während andere Akteure des Nahostkonflikts nicht benannt oder zu Verhaltensänderungen aufgefordert werden. Deutlich weniger Resolutionen richten sich an alle übrigen Mitgliedstaaten der VN. Dadurch besteht ein erhebliches Ungleichgewicht an Verurteilungen durch die VN zuungunsten Israels. Deutschland und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstützen diesen gegen Israel gerichteten Kurs häufig durch Zustimmung zu den einschlägigen VN-Resolutionen.

Die VN-Generalversammlung hat 2018 21 Resolutionen verabschiedet, in denen Israel verurteilt wird, von insgesamt 26 Verurteilungen von Staaten durch Resolutionen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts stimmte Deutschland 16 dieser Resolutionen zu und enthielt sich bei vier weiteren der Stimme. Demgegenüber stehen im gleichen Zeitraum nur jeweils eine einzige Resolution zu Ländern wie Iran, Nordkorea und Syrien. Beschlüsse, die das Handeln anderer Akteure des Nahostkonflikts, wie der Terrororganisation Hamas, verurteilen, sucht man in den Resolutionen zum arabisch-israelischen Konflikt in der Regel vergeblich. Im Dezember 2018 scheiterte in der VN-Generalversammlung der Versuch, zum ersten Mal die Hamas für ihre terroristischen Aktivitäten in einer Resolution zu verurteilen. Die Resolution fand keine ausreichende Mehrheit im Plenum der VN-Vollversammlung, insgesamt 58 Staaten stimmten gegen die Initiative.

Von den durch die UNESCO verabschiedeten 47 Resolutionen zwischen 2009 und 2014, in denen einzelne Länder wegen vermeintlicher Verstöße gegen UNESCO-Grundsätze verurteilt wurden, richteten sich 46 gegen Israel.

Das rein zahlenmäßige Bild macht deutlich, dass mit Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten in verschiedenen VN-Gremien um ein Vielfaches häufiger für teils unterstellte Regelbrüche und Menschenrechtsverletzungen verurteilt wird, als autoritäre Regime in der Region oder weltweit. Dieses erhebliche quantitative Ungleichgewicht der Verurteilungen durch VN-Resolutionen besteht seit vielen Jahren. Dass dies die Realität tatsächlicher Verstöße gegen VN-Regeln oder der Menschenrechtslage in den verschiedenen Staaten der Welt nicht annähernd widerspiegelt, scheint offensichtlich. Es muss deshalb thematisiert werden, inwieweit eine Mehrheit der VN-Mitgliedstaaten einen völlig anderen Maßstab an Israel anlegt als an jedes andere Mitgliedsland der Weltorganisation. Eine andauernde zahlenmäßig überproportionale Verurteilung Israels geht im Gesamtbild weit über legitime Kritik hinaus und ist nur vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Delegitimierung Israels durch eine signifikante Zahl von VN-Mitgliedstaaten erklärbar.
Daher ist es ... dringend geboten, das deutsche Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen zu ändern. 





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